2021
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Sechs Bauteile und eine AA-Batterie
TA7642-TECSUN-RADIO
Breadboard-Radio mit Loop-Antenne für Mittelwelle - mit Navtex und auch Langwelle

AN-200 Antenne mit Radiochip
Winziges Mittelwellenradio mit großer Antenne
und Batteriehalter aus einer Büroklammer
mit winzigem Strombedarf von 0,3 mA
Die Mittelwelle ist tot, es lebe die Mittelwelle. Mit zwei Widerständen, drei Kondensatoren und einem IC im Transistorgehäuse lassen sich auch in Zentraleuropa noch Sender empfangen - sogar am Tage. Zur Abstimmung und als Antenne dient die AN-200 von Tecsun.

Auf YouTube findet man allerlei "Crystal-Radios", diese Detektorempfänger mit Germaniumdiode und Selbstbauspule aus den Anfangstagen der Radiozeit. In Zentraleuropa ist damit kaum ein Empfang möglich, in Amerika und England gibt es noch den "Ortssender" auf AM. In der Stadt kann die Loop-Antenne viele urbane Störnebel ausblenden, sie wirkt direktional und ist durch die Größe empfindlich. Sie enthält bereits den Abstimmkondensator und die große Spule. Mit den internen gekoppelten drei Windungen, die an der 3,5 mm-Buchse herausgeführt sind, enthält das Radio den Abstimmkreis.

Schon im Jahr 1972 brachte Ferranti das Radio-IC ZN414 heraus, was schon damals den Detektorempfänger ablöste. Der Begriff "Apfelradio" taucht im Nebel der Erinnerungen auf. Dieser Baustein wurde ersetzt durch MK484 und später durch TA7642, den man heute im günstigsten Fall noch zu 20 Stk./Euro bekommen kann.


Schaltplan
Die Schaltung entspricht den Ausführungen im Datenblatt zum TA7642 und die verwendeten Bauteile lassen sich etwa wie folgt auflisten:
  • Widerstand 100k, 1k
  • Kondensator 10n, 150n und 100n
  • IC TA7642 im Transistorgehäuse
  • 3,5 mm Audiobuchse(n) bei Bedarf

Empfindliche Ohren können zum Beispiel mit einem Sennheiser PX100 Kopfhörer ohne Zusatzverstärkung Signale hören, allerdings kann ein beliebiger, batteriebetriebener Verstärker mit AUX-Eingang nachgeschaltet werden. Auch ein einfacher LM386-Verstärker ist möglich.


Aufbau
Aufbau mit Bauteilsuche begann günstiger Weise Ende Januar an einem Samstag gegen 11:00 MEZ. Der Samstag eignet sich besonders im Zusammenhang mit Sportsendungen mit lauten Reportagen auf Mittelwelle und wegen der Empfangsbedingungen im Januar um diese Zeit. Im Sommer sollte dieser Zeitpunkt etwas etwas später liegen (Ausbreitung). Die Aufbauarbeiten waren gegen 13:30 MEZ abgeschlossen, ein erster Test konnte erfolgen. Nach anklemmen der Versorgungsspannung zeigte ein leichtes Rauschen an, dass keine goben Fehler im Aufbau vorlagen. Es hätte aber auch ein Knattern oder Brummen auftreten können, dann empfängt man die eigenen bzw. die Störgeräusche des Nachbarn.
Empfang
Auch mit einem "richtigen" AM-Radio ist kaum Mittelwellenempfang um diese Zeit möglich, umso mehr überraschte es, dass bis zu fünf Sender des westlichen Inselstaates hörbar waren. Um 14:00 MEZ konnten folgende Stationen identifiziert und überaus gut gehört werden:

Der Empfang war vergleichbar mit einem DEGEN DE1103. Auffallend war der glasklare Klang, ohne Pfeifen und Klirren, wie bei anderen einfachen Radiolösungen. Positiv wurde die geringe Regelung empfunden, wodurch beim Fading nicht übertrieben verstärktes Rauschen auftrat, sondern der Sender einfach leiser wurde.

Auch war der Aufbau, entgegen allen Befürchtungen, auf diesem Breadboard völlig unkritisch. Durch diesen Aufbau ließ sich auch feststellen, dass die Schaltung völlig tolerant gegenüber abweichenden Bauteilen ist. Quasi wirkliche 'Raketentechnik', da sie immer funktioniert. Es reicht meist Irgendwas mit Nanofarad und Kiloohm im Aufbau.

Der Zeitpunkt des Aufbaus war auch deshalb gut gewählt, da bei voran schreitender Zeit während der Empfangsversuche auch die Empfangsbedingungen stetig besser wurden (Dämmerung). Es gesellten sich weitere Sportübertragungen aus u.a. Italien und Spanien hinzu. Später kam Ungarn im unteren Mittelwellenbereich quasi in Ortssenderqualität. In der Nacht konnten bis zu 100 Sender identifiziert werden.


Erweiterter Empfang: NAVTEX

Untersuchungen im Netz zeigen, dass der Baustein TA7642 im Bereich 500 kHz besonders empfindlich ist. Damit stellt sich die Frage, ob sich dieses Minimalradio als Navtex-Empfänger eignet. Das im SSB-Modus ausgestrahlte Signal auf 518 kHz erfordert einen Träger auf 517 kHz, um einen Ton um 1000 Hertz zu hören und mit entsprechender Software zu dekodieren. Den 517 kHz Hilfsträger erzeugt ein AD9850 DDS Sinusgenerator, wie er schon an anderer Stelle hier beschrieben ist.

Sucht man im Netz nach der Liste der Navtex-Stationen, so sieht man, dass für diesen Empfangsort Oostende Radio und Netherlands Coastguard (Den Helder) neben Pinneberg in Frage kommen. Zum Zeitpunkt des Aufbaus gelang es gegen 16:40 UTC Niton zu hören. Danach kam auch Cullercoats um 17:00 UTC. Weitere Stationen waren im Laufe des Abends:

PA01
NETHERLANDS COASTGUARD
NAVIGATIONAL WARNING NR. 1 192327 UTC JAN
PLATFORM F16-A 54-07N 004-01E UNLIT
AND FOGHORN INOPERATIVE.
NNNN

Portpatrick, Oostende, Pinneberg, Split, La Maddalena, Mondolfo und mehr. Eine Dekodierung per Smartphone oder Tablet war überwiegend möglich, wenn die Geräte entsprechend weit von der Antenne (40 cm, je nach Störnebel) entfernt sind.

Als Zugabe konnten am oberen Ende Morsesignale in SSB gehört werden, da es einen Kontest gab. Das 40 m-Band als Quelle wurde vermutet, aber nicht überprüft. Am Morse-Decoder konnten einige Kontakte mit gelesen werden.


Erweiterter Empfang: Langwelle

Der stärkste Rundfunksender am Tage in einfacher AM-Modulation ist hier im mittleren Westen Deutschlands RTL-Radio aus Luxemburg/Beidweiler auf 234 kHz Langwelle. Aus 168 km Entfernung und mit 375 kW soll das Signal laut fmscan.org mit 44 dB ankommen. Auch wenn der TA-Baustein bei Langwelle nicht sehr empfindlich sein soll, kann nur eine praktische Überprüfung Klarheit verschaffen. Da die Tecsun-Antenne ohne Modifikation nicht für diese Frequenz ausgelegt ist, muss der Eingangskreis des Geradausempfängers geändert werden. Benutzte Teile sind:

  • Ferritstab mit Langwellenspule aus einem alten Kofferradio aus den 70ern
  • Drehkondensator aus einem Radiobausatz

Wegen der im Netz vermuteten Unempfindlichkeit aufgrund des internen Aufbaus der Radio-IC kam die größte auffindbare Ferritantenne zum Einsatz, um größere Enttäuschungen zu umgehen. Mit einem Komponententester kann man die Spule auf dem Stab mit der höchsten Induktivität ermitteln. Bei diesem Empfänger ist nur eine Spule notwendig. Ein Blaupunkt Derby hat demnach eine Langwellenspule mit der Induktivität 3,86 mH verbaut. Aus einem Radiobausatz kommt ein typischer Drehkondensator, der 276 pF als höchsten Wert bei Linksanschlag liefert.

Rundfunk

An einem Februarmittag konnte RTL nicht überhört werden. Der Frequenzbereich mit den beiden Bauteilen überstrich genau den Rundfunkbereich der Langwelle. Durch Drehung der Antenne und Ausblendung von RTL kam auch die BBC auf 198 kHz etwas schwächer herein. Außer diesen beiden Sendern können am Tage aber auch noch sogenannte Utility-Frequenzen in diesem Bereich empfangen werden.

Utility/Daten

Sehr stark sendet der ehemalige Radio France Sendemast, der ohne Rundfunk nur noch ein TDF-Time-Signal ausstrahlt, wie schon an anderer Stelle hier beschrieben. Mit 52 dB von 1100 kW in 559 km Entfernung (fmscan.org) konnte mit dem Hilfsträger des AD9850 die Zeit problemlos mit der Clock.exe aus Multipsk dekodiert werden. Auch das Zeitsignal der BBC war klar und deutlich lesbar. Am rechten Anschlag ließ sichdie NDB-Bake LMA mit Morsezeichen im Störnebel erahnen. Ein 470 pF Festkondensator parallel zum Drehkondensator ermöglicht den Empfang von noch niedrigeren Frequenzen. Mit entsprechender Ausrichtung waren aus dem Lautsprecher folgende Stationen so zu empfangen, dass eine Demodulation und Dekodierung möglich war:

  • 139 kHz - DCF39, Zeitsteueranlage aus Burg
  • 147 kHz - DDH47, DWD aus Pinneberg mit seinem 50/85 RTTY Wettermeldungen
  • 162 kHz - TDF (ex France Inter) aus Allouis mit Time-Signal
  • 198 kHz - BBC Radio 4 mit Rundfunk und Time-Signal aus Droitwich
  • 234 kHz - RTL aus Beidweiler in Französischer Sprache und Musik
  • 311 kHz - NDB Brüggen mit Morsekennung LMA

Die Tondekodierung von DDH47 erfolgte probeweise auch erfolgreich mit eimem PLL-IC 2211 zwecks Dekodierung mit einem Arduino. Dabei traten Störungen durch den unabgeschirmten langdrahtigen Breadboardaufbau auf, die sich jedoch durch geeignete Maßnahmen unterdrückbar sind. Auch ließ sich das DWD-RTTY-Signal mit Hilfe des Goertzel-Morse-Dekoders lesen, der seine 1/0 Informationen an Pin 10 zur Verfügung stellt.

Anmerkung: Und plötzlich lag ein Ferritstab mit einer Kupferdrahtwicklung auf dem Tisch. Mit dem Komponententester ergab sich eine brauchbare Induktivität. Wenige pF Festkondensatoren in Parallelschaltung ergaben den Langwellenbereich. Durch Verschiebung der Spule auf dem Ferritkern konnte die Abstimmung erfolgen, wie in den ersten Autoradios seinerzeit. Dadurch entfallen für den Festfrequenzempfang weitere Bauteile und der Empfang ist identisch zu obigem Aufbau. Eine Langdrahtantenne von 7 bis 10 Metern erhöht das Empfangssignal stark, aber auch eventuelle Störungen aus der Nachbarschaft. Radiobasteln in 2021...


Ausblick
AN-200 Antenne mit Radiochip
AM-Radio Bausatz HX108-2 mit 2 ZF-Stufen
Ein MW-Bausatz-Radio mit zwei ZF-Verstärkern - also ein klassischer Überlagerungsempfänger - ist mit Ferrit- und Loop-Antenne geringfügig empfindlicher bei 518 kHz.

Vielleicht lässt sich auch dieser Empfänger für die in Mitteleuropa auch über Tag noch interessante Langwelle umbauen, um so auf kleinstem Raum die Utility-Stationen zu empfangen und dekodieren. Der Arduino stößt bei 100 Baud Navtex an Grenzen mit seinen 8928 Samples pro Sekunde, DWD mit 50 Baud geht noch. Bleibt zu untersuchen, ob bei höheren Geschwindigkeiten der Arduino mit einer kleinen Hardware wie dem XR2211-PLL Baustein bei höheren Baudraten unterstützt werden kann.


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